Und dann war`s plötzlich dunkel und kalt

Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen weist auf hohe Zahl der Menschen mit Stromschulden unter Sozialleistungs- bzw. Niedriglohnempfängern hin – Bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung vom 23. bis 27. Juni.

„Die Versorgung mit Energie gehört zum Grundbedarf von Menschen. Eine drohende Sperre bedeutet vor allem für die Haushalte mit Kindern oder mit pflegebedürftigen Personen eine enorme zusätzliche Belastung, die familiären Stress auslösen kann“, sagte Dr. Wolfgang Gern, Vorsitzender des Liga-Arbeitskreises „Armut, Gefährdung und Integration“ sowie Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, aus Anlass der bundesweiten Aktionswoche der Schuldnerberatung zum Thema „Energieschulden – Energiesperren.“ Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege weise deshalb mit Sorge auf die hohe Zahl der Menschen mit Stromschulden unter den Sozialleistungs- bzw. Niedriglohnempfängern hin, so Gern weiter.
Eine Umfrage der Liga bei den Sozialberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände in Hessen hat ergeben, dass zwei Drittel der befragten Stromschuldner in Haushalten mit mindestens einem Kind leben. Dabei geht es bei über 70 Prozent der befragten Haushalte um Schulden zwischen 150 bis 500 €. Haushalte mit einem Einkommen von 60 Prozent des Durchschnittseinkommens sind nur noch dann in der Lage ihre Energie(nach)zahlung zu leisten, wenn sie auf andere Dinge verzichten, die zu einem menschenwürdigen Leben gehören. Stromkosten sowie die Kosten für Gas einer Kochfeuerung sind Bestandteil des Regelsatzes der Sozialhilfe bzw. Arbeitslosenhilfe.
Massiver Anstieg der Stromkosten in den letzten Jahren
Die Kosten für Haushaltsenergie sind nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes von 2005 bis 2011 um 40 Prozent, die Kosten für Heizöl um 36,6 Prozent gestiegen.
Eine Hochrechnung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz geht von bundesweit 800.000 Haushalten im Jahr 2011 aus, denen der Strom aufgrund von Zahlungsproblemen zeitweise abgestellt worden ist. Der Bund der Energieverbraucher geht ebenfalls von bundesweit jährlich etwa 800.000 Privathaushalten aus, denen der Strom abgestellt wird, weiteren knapp 400.000 Haushalten wird darüber hinaus das Gas abgestellt.
Forderungen an die Politik
Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen fordert deshalb die Landesregierung
auf, sich dem Thema Energieschulden anzunehmen und für sozial verträgliche
Lösungen für besonders einkommensschwache Haushalte einzusetzen. Die
beste Möglichkeit, Stromschulden zu vermeiden ist die Verhinderung von Stromschulden.
Deshalb fordert die Liga von den politisch Verantwortlichen in Hessen:

  • dass diese sich auf der Bundesebene für eine Erhöhung des Regelsatzes der Sozialhilfe bzw. Arbeitslosenhilfe einsetzen. Um außergewöhnliche Preissteigerungen bei Energiekosten aufzufangen, ist der Regelsatz jährlich auf Basis der Einkommens- und Verbraucherstichprobe gemäß dem anzuwendenden Preisindex weiterzuentwickeln, der die regelsatzrelevanten Güter, insbesondere auch Strompreise, umfasst. Diesen Weg, der staatlichen Daseinsvorsorge Rechnung zu tragen, bevorzugt die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen vor einem staatlichen Eingriff in die Vertragsgestaltung der Energieunternehmen z.B. über Sozialtarife.
  • dafür zu sorgen, dass einkommensschwache Haushalte bei einer notwendigen Umstellung von Geräten mit einem hohen Energieverbrauch auf energiesparende Geräte finanzielle Hilfe erhalten, mit der die entsprechenden Geräte gekauft werden können (z.B. „Abwrackprämie“ für alte Energiefresser).
  • die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Einrichtung von Energieberatungsstellen, wie sie in verschiedenen Kommunen bereits erfolgreich eingeführt sind, deren Dienstleistung in Haushalten, die mit ihrem Einkommen unter bzw. geringfügig über ALG II liegen, kostenlos angeboten werden.Dies ist auch eine präventive Maßnahme, um Stromschulden bereits im Vorfeld zu vermeiden.
  • einen „Runden Tisch“ auf Landesebene einzurichten und zu moderieren, an dem Vertreterinnen und Vertreter der Wohlfahrtspflege, der Energielieferanten, des Hessischen Mieterbundes und des Sozialministeriums Lösungsvorschläge erarbeiten und deren Umsetzung begleiten (Monitoringprozess).

„Wenn die Politik weiterhin untätig bleibt, wird sich die Zahl der Energieschuldner in
den nächsten Jahren erhöhen und auch Personen treffen, die heute noch auskömmliche Löhne haben“, so Gern weiter. „Das Problem der Energieschulden wird
sich ohne politisches Zutun nicht lösen, weil die Summen, um die es oft geht, im
Vergleich niedrig erscheinen. Deswegen fordern wir die Verantwortlichen in der
hessischen Politik auf, ihren Einfluss geltend zu machen, damit Haushalte nicht
durch vergleichsweise geringe Beträge möglicherweise dauerhaft in existentielle
Schwierigkeiten kommen.“

“Und dann war’s plötzlich dunkel und kalt…
Energieschulden – Energiesperren”

lautet der Titel der diesjährigen bundesweiten Aktionswoche der Schuldnerberatung,
die vom 23.06. bis 27.06.2014 stattfindet. Weitere Infos unter:
http://www.aktionswoche-schuldnerberatung.de/