Rückkehrberatung darf nicht einschüchtern
Alarmierend ist vor allem die Praxis zahlreicher Kommunen und Kreise bei der vorbereitenden Rückkehrberatung. Sie verschicken reihenweise Aufforderungen, zur Rückkehrberatung zu erscheinen, in denen der Eindruck erweckt wird, diese sei verpflichtend. Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein Angebot, bei dem es den Betroffenen völlig freisteht, ob sie es nutzen oder ablehnen. Vielfach wird in den Behördenschreiben jedoch mit negativen Konsequenzen wie der Kürzungen von Sozialleistungen gedroht, sollte der Termin zur Rückkehrberatung nicht wahrgenommen werden. Solche Sanktionen sind rechtlich nicht vorgesehen und bewegen sich mindestens an der Grenze der Legalität.
Die Liga Hessen fordert die Landesregierung auf, diese zweifelhafte Praxis der kommunalen Behörden umgehend zu unterbinden und dafür zu sorgen, dass die Rückkehrberatung künftig ausschließlich und ausdrücklich auf freiwilliger Basis angeboten wird.„Unserer Einschätzung nach geht es den betreffenden Behörden nicht darum, Geflüchtete bei einer unabhängigen Entscheidungsfindung zu unterstützen, sondern sie unter Druck zu setzen und einzuschüchtern“, sagt Stefan Gillich, Vorsitzender des Liga-Arbeitskreises „Armut, Migration und soziale Integration“. Besonders bedenklich ist, dass selbst Menschen, deren Asylverfahren noch gar nicht entschieden ist oder die nicht einmal einen Asylantrag gestellt haben, eine Aufforderung zu einer Rückkehrberatung erhalten.
Mit dem Angebot zur freiwilligen Ausreise wollen Bund und Land nach eigenen Angaben Abschiebungen vermeiden, im Gegenzug erhalten Rückkehrwillige v.a. finanzielle Starthilfen. Die hessische Landesregierung investiert seit März 2017 zusätzlich zu den bereits vorhandenen Bundesmitteln eine Million Euro in das eigene Rückkehrprogramm. „Wir haben den Eindruck, dass es momentan nicht darum geht, Geflüchteten neutral und unabhängig die Option einer Rückkehr in das Herkunftsland als eine von diversen Handlungsmöglichkeiten vorzustellen. In Anbetracht des immensen Drucks, der schon bei den sogenannten Einladungen zur Rückkehrberatung aufgebaut wird, drängt sich die Vermutung auf, dass auch ein immenser Erfolgsdruck besteht. Und Erfolg heißt in diesem Zusammenhang, so viele Menschen wie möglich in die Beratungsstatistik zu bringen, wenn nötig zu zwingen und die Zahl der sogenannten freiwilligen Rückkehrer schnellstmöglich zu steigern“, so Lea Rosenberg, stellvertretende Vorsitzende des Liga-Arbeitskreises.
Kritische Thesen zur Rückkehrberatung
Die Liga Hessen hat „acht kritische Thesen zur staatlich organisierten Rückkehrberatung in Hessen“ verfasst und stellt sich darin klar gegen den derzeit praktizierten, unverhältnismäßigen Druck, der nicht mit dem Anspruch einer freiwilligen Rückkehr in Sicherheit und Würde vereinbar ist. Besonders kritisiert sie auch, dass alle Flüchtlinge im Ankunftszentrum in Gießen bereits am zweiten Tag nach der Ankunft, noch bevor sie Asyl beantragen können, einer Rückkehrberatung unterzogen werden. Es ist äußerst fragwürdig, dass hier eine schlechte Bleibeperspektive suggeriert wird, obwohl im ersten Halbjahr rund 53 Prozent der Antragsteller einen Schutzstatus erhielten.
Ein unter Druck getroffener Rückkehrentschluss kann keinesfalls als „freiwillig“ erachtet werden. Aus Sicht der hessischen Wohlfahrtsverbände muss eine Rückkehrberatung ohne Einschüchterung und ergebnisoffen erfolgen.
In ihren Leitlinien mit „zehn Leitsätzen zur Rückkehrberatung“ legt die Liga Hessen zudem eine sachlich-kritische Situationsanalyse zu den unterschiedlichen Gründen vor, die zu einer Rückkehrentscheidung führen (können) und die für die Einschätzung maßgeblich sind, ob ein Rückkehrentschluss tatsächlich oder nur vermeintlich freiwillig getroffen wird. „Eine freiwillige und nachhaltige Rückkehr wird nicht mit Druck und Zwang gefördert“, betont Stefan Gillich. „Wer überredet oder gedrängt wird, geht nicht gestärkt, geschweige denn freiwillig.“