Psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten in Hessen verbessern

Mit einer deutlichen Positionierung für den Ausbau und die weitere Ausgestaltung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung von Geflüchteten und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte wenden sich neun Organisationen an politisch Verantwortliche in Hessen und an die Öffentlichkeit.

Die Landesärztekammer Hessen, die Psychotherapeutenkammer Hessen, die DGD Kliniken – Deutscher Gemeinschaftsdiakonieverband-Stiftung, die Katholischen Krankenhäuser in Hessen, Vitos, die Arbeitsgemeinschaft der ärztlichen Leitungen der Kliniken für Psychiatrie sowie für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters in Hessen, die Hessische Krankenhausgesellschaft, die Landesarbeitsgemeinschaft zur psychosozialen Versorgung Geflüchteter in Hessen und die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen weisen darauf hin, dass nicht erst durch die dramatischen Bilder, die uns aktuell aus Afghanistan erreichen, sondern auch durch Geschehnisse wie in Würzburg vor einigen Monaten die Notwendigkeit einer guten psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung deutlich wird.

Die Unterzeichnenden stellen fest, dass Geflüchtete und Menschen mit Zuwanderungs­geschichte, die psychisch erkrankt sind, in unserem Gesundheitssystem zumeist nicht adäquat versorgt werden und im Regelsystem nicht gut ankommen. Besonders betroffen sind psychisch kranke Menschen, deren Gesundheitsversorgung nach Asylbewerberleis­tungsgesetz geregelt wird, und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, deren Kennt­nisse der deutschen Sprache für eine Behandlung auf Deutsch nicht ausreichend sind.

Sprache ist das zentrale Behandlungsmittel in der Versorgung psychisch kranker Men­schen. Eine notdürftige Verständigung mit Hilfe von Angehörigen oder Bekannten in den ambulanten Arztpraxen oder die gelegentlichen Übersetzungshilfen therapieferner Be­rufsgruppen im Krankenhaus können nicht die Basis für eine qualifizierte fachliche Be­handlung sein.

„Die nicht ausreichend geregelte Finanzierung von Sprachmittlung bei der ärztlichen und therapeutischen Versorgung und die Unkenntnis der Betroffenen über das Versorgungs­system hat weitreichende Folgen. Unter-, Über-, oder Fehlversorgung kann zu Ver­schlechterung und Chronifizierung psychischer Erkrankungen führen. So entstehen am Ende erhöhte Kosten für stationäre oder ambulante Therapie, die bei rechtzeitiger qualifizierter Behandlung hätten vermieden werden können“, so Prof. Dr. Markus Steffens, Chefarzt Klinik Hohe Mark, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialme­dizin. Hinzu kommen häufig aufenthaltsrechtlich Unklarheiten. Doch dafür sind weder Arztpra­xen noch Kliniken ausreichend ausgestattet.

Die ohnehin vorhandenen Probleme in der Prävention und Versorgung treffen Geflüchte­te, die bereits in den Kommunen leben, ebenso wie Schutzsuchende in den Erstaufnah­meeinrichtungen, in denen auch die vier hessischen Psychosozialen Zentren für Flücht­linge (PSZ), die vom Hessischen Sozial- und Integrationsministerium mitfinanziert wer­den, tätig sind. Die PSZ haben eine wichtige Funktion bei der Erstversorgung zur Diagnostik und Abklä­rung des weiteren Handlungsbedarfs.

„Wir könnten mit unseren multiprofessionellen Teams und unserem ganzheitlichen An­satz eine wesentliche Lücke in der gesundheitlichen Versorgung schließen. Allerdings ist die Landesfinanzierung nur projektgebunden und nicht ausreichend für den vorhandenen Bedarf. Damit ist eine langfristige und sinnvolle Versorgungsplanung nicht möglich,“ so Klaus-Dieter Grothe, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft zur psychosozialen Ver­sorgung Geflüchteter in Hessen.Erweist außerdem auf die verschärften gesetzlichen Anforderungen hin, denen fachliche Stellungnahmen genügen müssen, um in asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren wirksam zu werden.Stellungnahmen von behandeln­den psychologischen Psychotherapeuten werden so gut wie nicht mehr berücksichtigt.

„Es erfordert Spezialwissen und einen erheblichen Arbeitsaufwand, so dass nur wenige Fachärzte dazu bereit sind. Für die Betroffenen wird es dadurch immer schwieriger, ihre psychischen Erkrankungen oder Traumatisierungen geltend zu machen“,so Dr. Barbara Wolff, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie.

Die Bemühungen um eine wirksame migrationsgesellschaftliche Öffnung des Gesund­heitssystems müssen weiter vorangetrieben und intensiviert werden. Damit das Recht auf Gesundheit, wie es u. a. im Sozialpakt der Vereinten Nationen verankert ist, auch von der hier im Fokus stehenden Zielgruppe in Anspruch genommen werden kann, müs­sen staatliche Gesundheitsleistungen niedrigschwellig, fachlich qualifiziert und ausrei­chend vorhanden sein.

„Wir wollen mit diesem Positionspapier einen fachübergreifenden und breiten Aus­tausch anregen und gemeinsam mit allen Beteiligten in Politik und Zivilgesellschaft kon­krete Lösungsansätze erarbeiten. Eine Fachtagung dazu ist in Planung,“ so Dr. Yasmin Alinaghi, Vorsitzende der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen.

 

Für Gesprächs- und Interviewanfragen stehen zur Verfügung:

Dr. Barbara Wolff, E-Mail: barbara.s.wolff@t-online.de, Tel: 069-78 99 53 35

Klaus-Dieter Grothe, E-Mail: klaus-dieter@grothe.de, Tel: 0171-8 28 01 27