Mieterschutz in Corona-Krise greift zu kurz

Viele Menschen mit geringem Einkommen geraten derzeit wegen der Corona-Krise

in finanzielle und existentielle Not: Ihr Lohn ist weggebrochen, sie können ihre

Wohnung, Betriebskosten, Versicherungen plötzlich nicht mehr bezahlen. Das neu

verabschiedete Gesetz der Bundesregierung, das Mietern bei eventuellen Mietrückständen zusätzlichen Kündigungsschutz gewährt, ist ein guter Ansatz, greift

aber zu kurz.

Bild: freepik/whatwolf

Kündigungsschutz verlängern

Demnach sollen Kündigungen bis 30. Juni 2020 ausgesetzt werden. „Es ist schon
heute absehbar, dass die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie nicht in
drei Monaten behoben sind. Es wird wesentlich länger dauern, bis die Produktion
wieder das vorherige Niveau erreicht hat, Kurzarbeit überflüssig wird und Selbstständige
wieder Aufträge erhalten“, so Dr. Yasmin Alinaghi, Vorstandsvorsitzende der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V. „Kündigungen müssen bis Ende des Jahres ausgesetzt werden.“

Keine Verzugszinsen auf Mietschulden / keine Versorgungssperren

Laut dem neuen Gesetz muss die ausgefallene Miete bis Ende Juni 2022 nachgezahlt
werden. Nicht geleistete Zahlungen können vom Vermieter zusätzlich mit Verzugszinsen
belegt werden. Die Liga Hessen fordert von Vermieter*innen, für die Laufzeit des Gesetzes vollumfänglich auf Verzugszinsen auf Mietschulden zu verzichten. Dies soll für alle Mieten bis 3.000 Euro monatlich gelten. Zudem soll ein „Sicher-Wohnen-Fonds“ aus Landes- und Bundesmitteln eingerichtet werden, mit dessen Mitteln Mietzahlungen in Form von Zuschüssen gezahlt werden können. So können die Mieter*innen unterstützt werden, die während der Corona-Krise Mietschulden anhäufen. Mithilfe dieses Fonds könnte auch Selbstnutzer*innen sowie kleine Wohnungsunternehmen, private Vermieter*innen und Genossenschaften in Form von zinslosen Überbrückungskrediten geholfen werden, die durch Einkommens- bzw. Mietausfälle von der Insolvenz bedroht sind. Zudem sollte die Landesregierung auf Versorger in Hessen einwirken und so Räumungsverfahren und Versorgungssperren (Strom, Wasser) während der Pandemie
verhindern.

Nachweispflicht für Vermieter*innen

Im Zusammenhang mit ausgefallenen Mietzahlungen müssen die Betroffenen zusätzlich
schriftlich nachweisen, dass zwischen der nicht gezahlten Miete und der Covid-19-Pandemie ein Zusammenhang besteht. „Menschen mit hohen Einkommenseinbußen
haben gerade vielfältige Sorgen.
Entsprechende Nachweise zu besorgen belastet sie zusätzlich und unnötig, wenn
sie überhaupt von dieser Nachweispflicht erfahren“, sagt Annette Wippermann,
Vorsitzende des Liga-Arbeitskreises Arbeitsmarktpolitik. Hier müssen Vermieter*
innen rechtlich in die Pflicht genommen werden und ihre Mieter*innen über gesetzliche Möglichkeiten informieren, was die Nachzahlung der gestundeten Miete angeht. Dass sie darüber mit ihren Mieter*innen gesprochen haben, müssen sie nachweisen. Beide Parteien sollen gemeinsam einen Ratenzahlungsplan entwickeln.

Schnelle Lösung für Menschen in Sammelunterkünften

„Ein dringendes Anliegen ist uns, eine schnelle Lösung für die obdachlosen Menschen
und denjenigen zu finden, die zur Risikogruppe gehören und in Sammelunterkünften
leben. Es ist ein Fakt, dass die Infrastruktur der Wohnungslosen-, Suchtkranken-
und Flüchtlingshilfe, der Frauenhäuser nur eingeschränkt für Maßnahmen der Corona-Prävention ausgelegt sind. Im Zuge eines hessischen Notprogramms sollten Räume in derzeit leerstehenden Pensionen, Hotels und Jugendherbergen angemietet werden, damit auch diese Klienten während der Pandemie geschützt leben können“, schlägt Liga-Vorstandsvorsitzende Alinaghi vor.


Ihre Ansprechpartnerinnen:
Dr. Yasmin Alinaghi
Vorstandsvorsitzende
Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V.
Yasmin.alinaghi@paritaet-hessen.org

Annette Wippermann
AK-Vorsitzende Arbeitsmarktpolitik
Annette.wippermann@paritaet-hessen.org