Housing First – Das Allheilmittel?

Liga Hessen veröffentlicht Positionspapier mit Einschätzung zum Konzept „Housing First“: Hilfesystem in Hessen ist ausdifferenziert - Parallelsystem nicht sinnvoll

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Eine neue Wohnung zu finden, ist momentan fast ein Ding der Unmöglichkeit. Für Menschen mit multiplen Problemlagen wie Armut, Obdachlosigkeit, Sucht- und psychischen Erkrankungen ist es gerade zu ausgeschlossen. Sie finden sich oftmals in den Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe wieder, die zwar sehr vielfältige Möglichkeiten der Hilfe anbietet, aber auch nicht alle Klient*innen erfolgreich in eine eigene Wohnung vermitteln kann. Eine Lösung soll das Konzept „Housing-First“ aus den USA bieten: An erster Stelle steht hier, den Hilfesuchenden eine Wohnung zu stellen. Sie bekommen begleitend Unterstützung von Sozialarbeiter*innen vor Ort, um ihre individuellen Probleme anzugehen. Der Erhalt des Wohnraums wird dabei bewusst nicht an Auflagen gekoppelt: Betroffene werden ermutigt, ihre Probleme mit Unterstützung anzugehen, aber nicht dazu verpflichtet. Das hört sich vorbildlich und erfolgsversprechend an. In immer mehr Kommunen - auch in Deutschland - gibt es mittlerweile entsprechende Modellprojekte, die auch auf den ersten Blick gute Erfolgsquoten aufweisen. Erfolg bedeutet in diesem Fall, dass Menschen eine Wohnung finden und diese auch über einen Beobachtungszeitraum halten können.

Die Idee von „Housing First“ steht für eine sehr alte Forderung der Liga Hessen: Jeder Mensch hat das Recht auf ein Zuhause. „Es ist aus unserer Sicht kein neues Konzept, sondern wird in der etablierten Wohnungsnotfallhilfe seit Jahren als handlungsleitendes Prinzip gelebt. Grundsätzlich ist es das Bestreben eines jeden Sozialarbeiters und einer jeden Sozialarbeiterin, die Menschen, die um Hilfe suchen, schnellstmöglich aus dem System der Wohnungsnotfallhilfe in Wohnraum zu vermitteln. Das Problem ist derzeit, dass es diese Wohnungen nicht gibt“, so Lars Lauer, Sprecher der Liga-Fachgruppe Wohnungsnotfallhilfe. Eine flächendeckende Versorgung mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum sei derzeit unrealistisch: In den vergangenen Jahren seien z.B. deutlich mehr Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen als neue hinzugekommen. Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, psychisch Erkrankte oder suchtkranke Menschen hätten so gut wie keine Chance, eine Wohnung zu bekommen; schon gar nicht in den großen Städten.

Im aktuell veröffentlichten Positionspapier der Liga Hessen wird betont, dass „Housing First“ keine Neuerfindung oder gar Reform der Wohnungsnotfallhilfe ist. Es gibt ein sehr gutes ausdifferenziertes Hilfesystem in Hessen[1]. Neue Ansätze sollten dort integriert und diskutiert werden, statt ein Parallelsystem aufzubauen, wie das gerade mit Housing First geschieht, für das es gar keine sozialrechtliche Finanzierungssystematik gibt. Wichtiger sei eine finanziell gut ausgestattete Wohnungsnotfallhilfe und der Zugang zu Wohnungen. Hier sollte nachgesteuert werden. „Der Dreh- und Angelpunkt jeglicher Hilfen, die wirksam sein sollen, ist am Ende ein gesunder Wohnungsmarkt mit einem niedrigschwelligen Zugang zu bezahlbaren Wohnungen für alle Menschen. Deshalb sehen wir die Gebietskörperschaften, das Land Hessen und den Bund in der Pflicht, den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben und Wohnungen zur Verfügung zu stellen. „Housing First“ muss eine handlungsleitende politische Strategie werden“, so Jörg Klärner, der dem Liga-Arbeitskreis „Grundsatz und Sozialpolitik“ vorsitzt. Das bedeutet, dass alle landespolitischen Instrumente konsequent auf die Umsetzung eines Rechts auf Wohnen für alle ausgerichtet werden müssten. Näheres dazu ist im Positionspapier der Liga Hessen zu lesen.


[1] Einrichtungen und Dienste der Verbände der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen betreiben flächendeckend Fachberatungsstellen, Tagesaufenthalte, Aufsuchende Sozialarbeit, Übernachtungs- und Wohnmöglichkeiten sowie Betreutes Wohnen. 



Liga-Arbeitskreis „Grundsatz und Sozialpolitik“, Fachgruppe „Wohnungsnotfallhilfe“
Ansprechpartner*innen

Caritasverband für die Diözese Limburg e. V.
Jessica Magnus
Tel: 06431 997-254
E-Mail: jessica.magnus@dicv-limburg.de

Der Paritätische Wohlfahrtsverband, Landesverband Hessen e. V.
Lars Lauer
Tel: 069 955262 -30
E-Mail: lars.lauer@paritaet-hessen.org