Expertengespräch zum Thema Langzeitarbeitslose

Das Aktionsbündnis „Pro Arbeit“ in Hessen führte hessische Expertinnen und Experten am 14. April 2015 zu einem Fachgespräch zusammen. Die Fachrunde war sich weitgehend einig. Es braucht eigene Förderinstrumente für Langzeitbezieher von SGB II-Leistungen.

„Was tun gegen Langzeitarbeitslosigkeit?“, fragte die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e.V. und die Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit in Hessen e.V. als Mitglieder der bundesweiten Initiative „Pro Arbeit“. Arbeitsmarktexpertinnen und –experten aus Wissenschaft und Verwaltung, Gewerkschaft und Unternehmerverbänden, Wohlfahrtspflege und Beschäftigungsgesellschaften antworteten. Die Frage ist deshalb so brisant, weil niemand in Deutschland schlechter angesehen ist, als Menschen, die dauerhaft keine Arbeit haben. Und kaum eine Angst der Deutschen ist größer als die, den Job zu verlieren, in Armut abzurutschen und nicht mehr anerkannt zu sein.

Die Fakten: Unter den hessenweit gemeldeten Erwerbslosen sind rund 68.000 länger als ein Jahr ohne Job. Die Zahl derjenigen, die in Hessen innerhalb von 24 Monaten mehr als 21 Monate Hartz IV bezogen, darunter auch sogenannte Aufstocker, liegt konstant bei rund 180.000. „Bei ihnen kam das Jobwunder nicht an“, betont Tim Obermeier, Geschäftsführer des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz. Im Gegenteil, die Mittel für die Förderung von Menschen ohne Arbeit wurden drastisch zusammengestrichen. „2010 hatten wir noch 1140 Euro pro Kundin bzw. Kunde im Jahr zur Verfügung, jetzt sind es nur noch 560 Euro“, sagt Andrea Martin, Leiterin des Kommunalen Jobcenters Kreis Marburg-Biedenkopf.

„Wir müssen etwas tun“, sagt auch Dr. Stefan Hoehl von der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände. Allerdings lehnen die Arbeitgeber nach wie vor eine öffentlich geförderte Beschäftigung ab, sie akzeptieren sie allenfalls für kurze Zeit, nur unter strengen Kriterien und vor allem muss sie betriebsnah sein. Die Liga Hessen und die LAG Arbeit in Hessen sind sich hingegen sowohl mit dem Deutschen Landkreistag als auch mit dem Deutschen Städtetag einig: Öffentlich geförderte Beschäftigung und Qualifizierung muss ausgebaut werden und ebenso betriebsnah erfolgen, um überhaupt einen Übergang organisieren zu können. Nur so erfahren Menschen, die lange keine Arbeit mehr hatten, gesellschaftliche Zugehörigkeit und Anerkennung.

Im Moment ist das Gegenteil der Fall: Die Zahl der öffentlich geförderten Arbeitsgelegenheiten in Hessen sank in den vergangenen fünf Jahren von rund 13.000 auf unter 4000. Zugleich beziehen rund 40 Prozent der Kundinnen und Kunden in den hessischen Jobcentern länger als vier Jahre Hartz IV. Viele müssen qualifiziert und schrittweise wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Einem Markt, der sowieso zu wenig Jobs für sie bietet: Von den 140.000 offenen Stellen, die 2014 in von Kommunen und Arbeitsagentur gemeinsam betriebenen hessischen Jobcentern registriert waren, bezogen sich nur rund 27.000 auf Helfer- und einfache Routinetätigkeiten, die vor allem von Langzeiterwerbslosen gesucht werden.

Was tun? Die Fachrunde war sich weitgehend einig. Es braucht eigene Förderinstrumente für Langzeitbezieher von SGB II-Leistungen. Die jetzigen Instrumente sind nicht tauglich, um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Hessen macht sich auf Bundesebene dafür stark, die komplexe Hartz IV Gesetz-gebung zu vereinfachen und den Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, Mittel des Bundes und der Bundesagentur für Arbeit selbst auf die Jobcenter zu verteilen.
Bertram Hörauf, der Leiter der Abteilung Arbeit im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, kündigte die Veröffentlichung der Förderrichtlinien für das im hessischen Koalitionsvertrag vereinbarte Förderprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit noch vor dem Sommer an.
Alle Expertinnen und Experten waren sich einig, regionale Ansätze weiter zu stärken, beispielsweise in örtlichen Beiräten. Dort könnten auch Vereinbarungen getroffen werden, um Unternehmen stärker mit ins Boot zu holen.