Carsten Tag neuer Vorstandsvorsitzender der Liga Hessen

Carsten Tag übernimmt turnusgemäß Liga-Vorsitz I Schwerpunktthema der Liga Hessen 2022/23: Gesellschaftlicher Zusammenhalt I Lehren aus Corona: Erfahrungen, Erfolge, Handlungsbedarf

Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Hessen, Carsten Tag, hat im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz das Amt von seiner Vorgängerin, Parität-Geschäftsführerin Dr. Yasmin Alinaghi übernommen. Der 57-Jährige hat für zwei Jahre den Vorsitz im Gesamtvorstand der Liga Hessen inne.

„In der Pandemie müssen wir beobachten, wie unsere Gesellschaft mehr und mehr auseinanderdriftet. Dem gilt es mit aller Kraft entgegenzuwirken. Dafür werden wir uns als Bündnis der Wohlfahrtsverbände in Hessen in den kommenden beiden Jahren mit dem von uns gewählten Schwerpunktthema „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ einsetzen. Hier gilt der Förderung von gerechten Bildungschancen für Kinder und Jugendliche mein besonderes Augenmerk! Alle Kinder und Jugendlichen sollten gerecht und bestmöglich gefördert werden – unabhängig davon, wie finanzstark ihr Elternhaus ist, was ihre Muttersprache ist, ob sie in ihrer noch jungen Biografie Fluchterfahren mitbringen oder ob sie besonderen Unterstützungsbedarf aufweisen. Das sind wir ihnen als verantwortliche Erwachsene schuldig - gerade hier in Deutschland, einem der wohlhabendsten Länder der Welt“, so Carsten Tag in seinem Grußwort.

Die Pandemie hat soziale Ungleichheit verdeutlicht und verstärkt: Gruppen mit niedrigerem sozioökonomischem Status und schwierigen sozioökonomischen Bedingungen sind stärker von den negativen Folgen der Pandemie betroffen als andere. In Gesprächen mit Politik und Verwaltung hat die Liga auf besonders schwerwiegende Missstände und Handlungsbedarfe hingewiesen. Positiv ist: Die Landesregierung hat wichtige Forderungen der Liga aufgegriffen, z. B. wurde inzwischen ein Landesamt für Gesundheit eingerichtet, das für mehr Einheitlichkeit und Vernetzung der Akteure in der Gesundheitsversorgung sorgen wird. Es wurden Programme für Gewaltschutz, zur Förderung der Tagespflegen, zur Bildung und Qualifizierung der jungen Generation wie „Aufholen nach Corona“ oder das Perspektivprogramm „HePAS zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen behinderter Menschen“aufgelegt. Darüber freuen wir uns sehr. Nichtsdestotrotz gibt es weiterhin besonders gefährdete Gruppen, für die ebenfalls Unterstützung notwendig ist.   

Besonders gefährdete Gruppen in der Pandemie

Während der Pandemie sind besonders die Menschen gefährdet, die gemeinschaftlich untergebracht leben. Geflüchtete, wohnungslose Menschen, Kinder und Jugendliche in der stationären Jugendhilfe, Bewohner*innen in der Eingliederungshilfe und in Pflegeeinrichtungen. Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln sind hier nur schwer umsetzbar. „Dies zeigt sich leider sehr deutlich am Beispiel geflüchteter Menschen: Sowohl in Erstaufnahmeeinrichtungen als auch in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften werden die spezifischen Empfehlungen und Standards des RKI auch nach fast zwei Jahren ihrer Erstveröffentlichung keinesfalls flächendeckend eingehalten – noch nicht einmal für Menschen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-Krankheitsverlauf“ sagt Dr. Yasmin Alinaghi im Rahmen der Pressekonferenz.

Hier sei u.a. dringend geboten, die Menschen frühzeitig aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in die Kommunen zuzuweisen. In der anhaltenden Pandemiezeit muss für alle Unterkünfte, sowohl in der Erstaufnahme als auch den Kommunen, sichergestellt sein, dass sich die Bewohner*innen wirksam vor einer Infektion schützen können. Vor allem muss den Betroffenen ein Umzug in Privatwohnungen erlaubt werden, unbedingt auch schon während des Asylverfahrens.

Digitalisierung: Alle mitnehmen

Der neue stellvertretende Liga-Vorsitzende Michael Schmidt betonte die Vorzüge der Digitalisierung, die die Pandemie zwangsweise mit sich gebracht hat, wies aber auch auf bestehende Defizite hin. „Die digitale Transformation gelingt nur, wenn wir ALLE mitnehmen. Für sozial benachteiligte Gruppen braucht es in den Kommunen oder Quartieren kurzfristig freien Zugang zum Internet und zu Hard- und Software. Freie Träger brauchen hier Unterstützung seitens des Landes, um Zugänge zu schaffen und Hard- und Software zu erhalten. Die Kosten der Digitalisierung müssen strukturell und langfristig in den leistungsrechtlichen Vereinbarungen anerkannt werden, z. B. in der Pflege, der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe, den frühen Hilfen aber auch bei der Flucht und Migrationsarbeit“, so Schmidt.

Im Papier „Lehren aus Corona Teil 2“ haben die Facharbeitskreise in der Liga Hessen Schwierigkeiten und Handlungsbedarfe, die sich in der Pandemie für Klient*innen, Beschäftigte und Einrichtungen ergeben haben, genau analysiert. „Ich hatte mir vor zwei Jahren nicht vorstellen können, dass die Pandemie mich durch meine gesamte Amtszeit begleiten würde“, sagt Dr. Yasmin Alinaghi. Sie wünschte ihrem Nachfolger Carsten Tag viel Erfolg für seine Amtszeit als Liga-Vorsitzender und „eine starke Stimme für die sozialen Themen in der hessischen Landespolitik“.


>> Hier können Sie das Papier "Lehren aus Corona 2" herunterladen


3 Fragen, drei Antworten

Herr Tag, was haben Sie sich für Ihre Zeit als Vorstandsvorsitzender vorgenommen, wo setzen Sie Ihren Schwerpunkt?

Leider erleben wir angesichts des furchtbaren Krieges in der Ukraine, wie nur wenige Wochen alte Planungen hinfällig werden. Zur Zeit gelten unsere Anstrengungen der bestmöglichen Bewältigung der Folgen dieses Krieges, wozu u.a. eine möglichst enge Vernetzung mit politisch Verantwortlichen in Wiesbaden gehört.

Unabhängig davon möchte ich als Vorsitzender in den nächsten beiden Jahren meinen Beitrag dazu leisten, die gute und wichtige Arbeit der Liga fortzuführen. Dazu gehört u.a. auch das Schwerpunktthema, das wir uns vorgenommen haben: den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken! Hierbei denke ich insbesondere auch an die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen, die  – das zeigen ja auch die Folgen der Pandemie noch einmal sehr deutlich – einer besonderen Förderung benötigen.

Wo sehen Sie bzgl. der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine aktuell Handlungsbedarf ?

Zuallererst danke ich erst einmal allen Trägern unserer Verbände, die sich hier mit großem Einsatz von der ersten Stunde an engagieren und somit zu einer bestmöglichen Bewältigung beitragen! Das unterstreicht noch einmal sehr eindrücklich die Leistungsfähigkeit und damit auch den Stellenwert unserer Wohlfahrtsverbände als wichtiger zivilgesellschaftlicher Akteur! Zu Ihrer Frage: wir benötigen von Seiten der Politik möglichst flexible Rahmenbedingungen, die es uns erlauben, praktisch und zügig die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen für die Geflüchteten umzusetzen. Grundsätzlich ist es mir an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass wir nicht zwischen Flüchtlingen „1. „ und „2. Klasse“  unterscheiden dürfen! Alle Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, brauchen gleichermaßen eine bestmögliche Unterstützung!

Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr 2022?

Unser Politischer Abend am 10. Mai steht an, zu dem wir politisch Verantwortliche in den wunderschönen großen Saal des Rathauses in Wiesbaden einladen: Ich freue mich sehr, dass wir – hoffentlich – nach zwei Jahren einmal wieder präsentisch zusammen kommen können, auch um das persönliche Gespräch zu führen. Ein sehnlicher Wunsch, den ich sicherlich mit allen teile, ist der nach einem baldmöglichen Frieden in der Ukraine sowie einer möglichst langen Ruhepause in der Pandemie. Es wäre wundervoll, einfach mal wieder die ganz „normale“ Arbeit erledigen zu können!


Vita Carsten Tag

Seit dem 1. März 2020 ist Pfarrer Carsten Tag Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen. Carsten Tag (geb. 19. Mai 1964 in Gladbeck) studierte nach seinem Zivildienst in einer „Sonderschule für geistig behinderte Kinder und Jugendliche“ evangelische Theologie in Frankfurt und Heidelberg. Seinem ersten Theologischen Staatsexamen im Jahre 1994 folgte ein Vikariat, das er in der St. Petersgemeinde in Frankfurt leistete. Nach seinem zweiten Theologischen Staatsexamen im Jahr 1997 verbrachte er ein halbjähriges Spezialvikariat in der Suchtkrankenberatungsstelle des Evang. Regionalverbandes in Frankfurt. Ab 1998 arbeitete Carsten Tag in Hofheim als Leiter der Fachstelle für Suchtprävention des Main-Taunus-Kreises beim Verein Jugendhilfe & Jugendberatung. Von 2000 bis 2008 war er als Gemeindepfarrer in der Evang. Kirchengemeinde Nieder-Weisel in Butzbach tätig. Zuletzt war Carsten Tag zwölf Jahre lang Dekan im Evangelischen Dekanat Rodgau. Aufgrund vielfältiger Fort- und Weiterbildungen ist er auch Gemeinde- und Organisationsberater sowie Gestalttherapeut. Durch zahlreiche ehrenamtliche Tätigkeiten – der 57-Jährige ist auch Ehrenritter der Johanniter – kennt der zukünftige Vorstandsvorsitzende die Arbeit der Diakonie von innen und außen. Carsten Tag ist verheiratet, hat ein Kind und lebt mit seiner Familie in Rödermark.