Pflege muss für alle bezahlbar sein!
"Die Gesundheit fördern, die Welt sicher halten und den Schwachen helfen, damit alle Menschen ein Höchstmaß an Gesundheit und Wohlbefinden erreichen können" – die Ziele der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Weltgesundheitstag 2023 (07.04.2023) sind auch Leitlinie unserer Handlungen als Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen. Alle haben ein Recht auf Gesundheit und gute Versorgung, unabhängig ihrer Herkunft oder ihrer finanziellen Situation. Doch die Realität ist: Ein Drittel aller Heimbewohner*innen in Deutschland ist auf Sozialhilfe angewiesen. Das ergab die Analyse im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Und es werden mehr, so die Berechnungen der Expert*innen.[1]
„Das vor Jahrzehnten angelegte soziale Versicherungssystem muss überdacht und aufgrund der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen dringend modernisiert werden“, sagt Michael Schmidt, Vorsitzender des Liga-Arbeitskreises „Gesundheit, Pflege und Senioren“. „Die Pflegestatistik 2021 zeigt, dass die Zahl der verfügbaren vollstationären Plätze in den letzten Jahren nahezu unverändert geblieben ist. Die Versorgungsanteile der stationären Pflege sind seit 2005 von 31 Prozent auf 16 Prozent im Jahr 2021 gesunken. Immer mehr Menschen möchten zuhause oder in Wohngemeinschaften betreut werden. Aber die ambulanten Anbieter können dies nicht leisten: Über 90 % der ambulanten Dienste mussten in den letzten sechs Monaten Neukund*innen ablehnen und fast zwei Drittel konnten im selben Zeitraum der Aufstockung von Leistungen ihrer Bestandskund*innen nicht nachkommen.“
Das hat mit dem viel diskutierten Personalmangel, aber auch mit der wirtschaftlichen Situation zu tun: Durch die hohen Preissteigerungen insbesondere in den für Pflegeeinrichtungen relevanten Bereichen wie Lebensmittel, notwendige externe Dienstleistungen, medizinischer Bedarf, Treibstoffe und vieles mehr, sind die Betriebskosten für die Anbieter massiv gestiegen. Das gilt für stationäre wie ambulante Dienste.
Die Kostensteigerungen belasten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen ebenso. Trotz der Entlastungszuschläge werden die Eigenanteile immer höher. Seit dem 1. Januar 2023 müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen für das erste Jahr in einer stationären Pflegeeinrichtung bundesweit im Schnitt 2.411 Euro pro Monat selbst zahlen. Das sind 278 Euro mehr als Anfang 2022.[2]
Die Liga Hessen fordert eine Entlastung und mehr Planungssicherheit für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen:
- durch eine tatsächliche Deckelung des pflegebedingten Aufwands durch einen sogenannten Sockel-Spitze-Tausch: Alle Pflegebedürftigen beteiligen sich mit einem festgelegten Eigenanteil an der Versorgung, alle darüber hinaus gehenden Kosten zahlen Pflege- und Krankenversicherung. Dies gilt für alle Versorgungsformen (ambulant, stationär, Wohngemeinschaften) gleichermaßen.
- die Refinanzierung zielgruppenspezifischer, wohnortnaher präventiver Maßnahmen und Unterstützungs- und Versorgungsangebote in denen auch sektorenübergreifende Angebote und innovative Ansätze verlässlich refinanziert sind. Ein niederschwelliger, bürokratiearmer Zugang zu den Angeboten ist dabei sehr wichtig. Denn: Pflege muss sich kontinuierlich weiterentwickeln können. Dafür muss das Land Hessen einen Rahmen schaffen, damit auch Wohnen jenseits der Norm entwickelt und ermöglicht werden kann, (bspw. ambulante Wohngemeinschaften in der stationären Pflege) – dies alles bedarf verlässliche, regelhaft finanzierte unterstützende Strukturen – unabhängig vom Wohnort.
- die Refinanzierung einer modernen professionellen Versorgung mit ausreichend Personal. Vor diesem Hintergrund fordern wir das Land Hessen auf, sich wieder aktiv an dem Ausbau der pflegerischen Infrastruktur (Modernisierungen, Umbau, Neubau von Einrichtungen) und sich endlich an den Investkosten zu beteiligen.
- gleichzeitig müssen das Land Hessen und die Kommunen stärker ihre Verantwortung wahrnehmen und eine Altenhilfe- und Pflegestrukturplanung vornehmen. Die Kommunen müssten den Auftrag haben sicherzustellen, dass es ausreichend viele Unterstützungsangebote vor Ort gibt. Voraussetzung dafür ist, dass sie die Kompetenz, aber auch die Verpflichtung bekommen, eine verbindliche Planung aufzustellen, so wie das bei Schulen oder Kindertagesstätten der Fall ist. Eine Versorgung der Zukunft kann nur durch eine gelungene Vernetzung von professionellen und informellen Hilfestrukturen funktionieren. Dafür müssen die Kommunen mit zusätzlichen finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet werden. Dazu empfehlen wir die Besetzung einer koordinierenden (Planungs-) Stelle auf Landesebene, damit auf Basis von erhobenen Strukturdaten eine zielgerichtete Versorgung geplant und umgesetzt werden kann.
[1]www.dak.de/dak/bundesthemen/dak-studie-zeigt-reformbedarf-in-der-pflege-2609246.html
[2] Quelle: vdek, Grafik: Finanzielle Belastung eines Pflegebedürftigen in der stationären Pflege; Stand 1. Januar 2023