Liga Hessen fordert sofortigen Abschiebe-Stopp nach Afghanistan

Angesichts der zweiten Sammelabschiebung Schutzsuchender innerhalb weniger Wochen von Frankfurt nach Kabul fordern die Liga-Verbände die Hessische Landesregierung auf, zu handeln und die Abschiebungen sofort auszusetzen.

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Am Abend des 23. Januar hat es vom Frankfurter Flughafen aus eine weitere Sammelabschiebung von Schutzsuchenden nach Kabul gegeben. An Bord waren Medienberichten zufolge 26 Menschen. „Afghanistan ist nicht sicher, und es gibt dort auch keine sicheren Regionen. Wenn Deutschland weiterhin Schutzsuchende in das von Bürgerkrieg und Terror gebeutelte Land abschiebt und Hessen sich daran beteiligt, ist das unverantwortlich“, sagte der Vorstandsvorsitzende Thomas Domnick auf der Liga-Vorstandssitzung in Frankfurt am Dienstag. Im Namen aller Liga-Verbände forderte er die Hessische Landesregierung auf, umgehend einen vorerst dreimonatigen Abschiebestopp für Geflüchtete aus Afghanistan zu verhängen.

Hessische Landesregierung soll eigenen Spielraum nutzen

Die Einschätzung der Sicherheitslage in einzelnen Staaten, die Grundlage für das Asylverfahren ist, obliegt zwar dem Bund. Die Länder haben aber den Spielraum, Abschiebungen vorübergehend auszusetzen. Die Wohlfahrtsverbände appellieren an das Hessische Innenministerium, diesen Spielraum zu nutzen und sich nicht erneut an einer Sammelabschiebung nach Afghanistan zu beteiligen. Bei der ersten Sammelabschiebung am 14. Dezember 2016 waren auch vier Schutzsuchende aus Hessen an Bord der Maschine nach Kabul. „So etwas darf sich nicht wiederholen, und auch Einzelabschiebungen lehnen wir grundsätzlich ab“, so Stefan Gillich, Vorsitzender des zuständigen Liga-Arbeitskreises für das Thema Flucht und Asyl: „Der aktuelle UNHCR-Bericht macht eine Kehrtwende im Umgang mit Flüchtlingen aus Afghanistan unumgänglich.“

"Keine sicheren Regionen in Afghanistan"

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR urteilte erst vor einem Monat, dass sich die Lage in Afghanistan seit April 2016 „rapide verschlechtert“ habe. Demnach sei „das gesamte Staatsgebiet Afghanistan von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt“ betroffen. Die Zahl der zivilen Opfer lag laut UNHCR im ersten Halbjahr 2016 bei 1.600 Toten und 3.500 Verletzten und war damit so hoch wie seit 2009 nicht mehr. „In Anbetracht dieser klaren Aussage ist es völlig absurd, von sicheren Regionen in Afghanistan zu sprechen“, so Liga-Vorsitzender Thomas Domnick: „Erst vor zwei Wochen sind bei mehreren Terroranschlägen im als sicher deklarierten Kabul 50 Menschen getötet und 90 verletzt worden.“ Ausdrücklich begrüßen die Hessischen Wohlfahrtsverbände die Initiative des Innenministers von Schleswig-Holstein, Studt, der derzeit nicht nur einen Abschiebestopp für sein Bundesland plant, sondern seine Ressortkollegen auf Bundes- und Landesebene explizit aufgefordert hat, die derzeitige Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan zu überprüfen. „Hessen sollte sich diesem Vorstoß anschließen“, so Domnick: „Die Landesregierung darf der Fehleinschätzung des Bundesinnenministeriums zur Sicherheitslage in Afghanistan nicht blind folgen“.

Um die Sicherheit der Afghaninnen und Afghanen zu garantieren, die in Hessen Schutz suchen, sollte das Hessische Innenministerium aus Sicht der Wohlfahrtsverbände umgehend zusätzliche Maßnahmen ergreifen. So könnte es die Ausländerbehörden in den Städten und Kreisen anweisen, als Alternativen zur Abschiebung alle vorhandenen aufenthaltsrechtlichen Bleiberechtsmöglichkeiten für Betroffene auszuschöpfen.

 

 

Thomas Domnick

Vorstandsvorsitzender

Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V.

 

 

Stefan Gillich

Vorsitzender des Arbeitskreises

„Armut, Migration und soziale Integration“

Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V.