In Arbeit statt in Arbeitslosigkeit investieren

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Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in der Corona-Pandemie stark angestiegen - innerhalb eines Jahres um 36,3 Prozent (März 2020 bis März 2021). Mit dem so genannten „Teilhabechancengesetz“ hat die Bundesregierung 2019 ein Instrument geschaffen, das vor allem Menschen, die lange arbeitslos waren, auf möglichst unbürokratischem Wege wieder in Arbeit bringt. Laut Bundesarbeitsministerium haben bislang 55.000 Menschen dadurch Arbeit gefunden. In Hessen konnten seit Einführung des Gesetzes bis März 2021 insgesamt 3.200 Teilnehmer*innen ein Beschäftigungsverhältnis aufnehmen. Eine Erfolgsgeschichte. Das spiegelt auch der Zwischenbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wider. Unverständlich ist, dass dieses Gesetz nach fünf Jahren auslaufen soll.

„Auch nach diesen fünf Jahren ist es wichtig, gegen Langzeitarbeitslosigkeit und der damit verbundenen Isolation von gesellschaftlicher Teilhabe vorzugehen“, so Jörg Klärner, Vorsitzender des Liga-Arbeitskreises „Grundsatz und Sozialpolitik“. „Dieses Gesetz muss entfristet werden.“ Das ganzheitlich angelegte Konzept mit öffentlich geförderter Beschäftigung, sozialarbeiterischer Begleitung („Coaching“) und beruflicher Qualifizierung bewähre sich in der Praxis.

Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen haben viel zur erfolgreichen Umsetzung des Teilhabechancengesetzes beigetragen. Sie sind Qualifizierungs- und Beschäftigungsbetriebe als auch Arbeitgeber*innen in Pflege, Erziehung und Hauswirtschaft. Und sie sehen in der Praxis, wo es in der Umsetzung noch Optimierungsbedarf gibt.

Beispiel Coaching: Bei der Maßnahme erhalten die Beschäftigten begleitend einen Coach an die Seite. Er/sie unterstützt beim Einstieg ins Berufsleben, bei Problemen am neuen Arbeitsplatz oder bei Schwierigkeiten mit der Organisation des Alltags. „Wir wünschen uns hier ein Coaching, das die Entscheidungen der geförderten Personen stärkt“, so Klärner. „Die Wahl des Coaches muss frei sein. Es sollte möglich sein, dass Geförderte sich für einen beim Beschäftigungsträger angestellten Coach entscheiden. Häufig kennen sich Beschäftigungsträger und die geförderte Person bereits aus einer vorgeschalteten Maßnahme oder einem Praktikum. Hier besteht schon ein Vertrauensverhältnis.“

Für Entfristung des Gesetzes einsetzen

Langzeitarbeitslose zu integrieren, braucht einen langen Atem und gute Förderinstrumente – genau die haben wir jetzt, weil das Teilhabechancengesetz eine arbeitsmarktpolitische Lücke geschlossen hat. Als Arbeitgeber*innen sind die Verbände in der Liga Hessen weiterhin bereit, ihren Part zu leisten und den Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Wir begrüßen es sehr, dass der hessische Sozialminister Klose ebenso für das Gesetz wirbt und vor allem auch den bislang noch geringeren Frauenanteil im Programm steigern will. Die hessische Landesregierung sollte daher ihre Stimme im Bundesrat nutzen und sich für die Aufhebung der gesetzlichen Befristung des Teilhabechancengesetzes einsetzen.

Langzeitarbeitslose brauchen eine stabile Chance, mit langfristiger Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Liga Hessen unterstützt hier die Positionierung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zum IAB-Evaluationsbericht.

 

Ansprechpartner:

Jörg Klärner, Vorsitzender Liga-Arbeitskreis „Grundsatz und Sozialpolitik“

Joerg.klaerner@dicv-limburg.de

 

Thomas Jung, Sprecher Fachgruppe Arbeitsmarktpolitik

Liga-Arbeitskreis „Grundsatz und Sozialpolitik“

Thomas.jung@diakonie-hessen.de


Hintergrund: Das 2019 beschlossene Teilhabechancengesetz hat einen arbeitsmarktpolitischen Paradigmenwechsel weg vom Vorrang kurzer Qualifizierung, schneller Vermittlung und hohem Sanktionsdruck hin zur „Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt“ vollzogen. Dabei erhalten Arbeitgeber*innen für bis zu fünf Jahre Lohnkostenzuschüsse zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von Arbeitnehmer*innen, die vorher mindestens sechs von sieben Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Finanziert wird dies u. a. durch Mittel, die ansonsten für den Leistungsbezug aufgewendet würden.